
Ivo Weber
Turmzwiebel zu Mettenberg
Palettenholz, Zinkeblech, Melkschemmel.
Mit ihrem gewölbten, vierkantigen Körper und ihrem spitz zulaufenden Abschluss sieht die große Holzskulptur von Ivo Weber wie die barocke Haube eines süddeutschen Kirchturms aus. In der Tat handelt es sich bei dem Objekt um die verkleinerte Version der Turmhaube der Kirche Sankt Alban in Mettenberg, einem Stadtteil von Biberach an der Riß, der Heimatstadt des Künstlers.
In der westlichen Kultur symbolisiert der Kirchturm einerseits die Verbindung zu Gott und höheren Sphären, anderseits ist er auch ein Sinnbild für Herkunft, Zugehörigkeit und Heimat. Als höchster und sichtbarster Teil der Kirche, schafft er eine starke Identifikation mit einem Ort und seiner Geschichte. Allerdings verblasst dieses Symbol in unserer Zeit zunehmend. Im Zuge des Rückgangs der kirchlichen Institutionen, bedeutet das einst starke Symbol für viele Menschen immer weniger.
Will uns Ivo Weber mit seinem gestürzten Turm auf diesen Umstand hinweisen? Ist seine Holzskulptur aus wiederverwendeten Paletten eine Metapher für den Fall der Kirche und ein Kommentar zur Säkularisierung? Die Arbeit lässt sich auch als persönlicher Rückblick auf die eigene Biografie interpretieren. Vor ca. 40 Jahren verließ Weber die Beschaulichkeit seiner Herkunftsstadt, um sich in den Metropolen München und Köln als Künstler zu etablieren. So gesehen, kann der umgefallene und vom restlichen Baukörper getrennte Kirchturm für Entwurzelung und Neuanfang stehen. Vor diesem Hintergrund strahlt Ivo Webers‘ Skulptur die sanfte Melancholie einer verlorenen Landidylle aus und will zugleich in die Zukunft blicken.