Johannes Döring
Orthostat
Fotografie, Gips
Üblicherweise ist das fotografische Bild zweidimensional und wirkt wenig bis überhaupt nicht körperlich. Anders als die Malerei, hat die klassische Fotografie kaum haptische oder räumliche Qualität und definiert sich vorrangig durch das Visuelle. Aber das Werk von Johannes Döring ist alles andere als klassisch. Döring befasst sich mit der Physis von Fotografie, also mit der stofflichen, sinnlich erfassbaren Präsenz seines Mediums. Während digitale Aufnahmen sich immer mehr in einer immateriellen Information auflösen, verleiht Döring dem fotografischen Bild einen Körper.Dazu realisiert er Reliefs aus Gips, die zum Bildträger werden. Wie für die Entwicklung einer analogen Fotografie, präpariert Döring die Gipsoberfläche mit Emulsionen und belichtet das Motiv darauf. Seine drei Objekte in der Ausstellung bilden eine Art Reflektion des eigenen künstlerischen Tuns und stehen zwischen Originalen, Reproduktionen und Rekonstruktionen von etwas, das es längst nicht mehr in seiner ursprünglichen Gestalt gibt.Das Motiv von „Orthostat“ hat Johannes Döring in der Bundeskunsthalle Bonn fotografiert. Das Bild zeigt eine Reliefplatte, ein sogenanntes „Orthostat“, das vor über 100 Jahren in Mesopotamien ausgegraben wurde. Die Steinfragmente auf Dörings Plastik haben eine abwechslungsreiche Geschichte und wurden nach ihrer Entdeckung ergänzt und neu zusammengestellt. Sie sind nicht die treuen Zeugen einer weit zurückliegenden Epoche, sondern museale Inszenierungen, die für ein westliches Publikum arrangiert wurden und auf eine historische Realität verweisen, die nicht mehr sinnlich erfahrbar ist. Dieses Verhältnis zur Geschichte bildet für Döring eine gute Metapher von Fotografie an sich, die, wie die heutigen Orthostaten, als fragwürdige Projektion des Vergangenen erscheint.